John Fahey kommt aus einer musikalischen Familie und wächst auf in Takoma, Maryland. Der Vater ein Regierungsangestellter, beide Eltern Pianisten mit breit gefächertem Geschmack von Klassik bis Bluegrass. Als Teenager entdeckt Fahey die Gitarre und fühlt sich in die musikhistorischen Welten von Countryblues und Bluegrass ein. Er erwirbt einen Universitätsabschluß in Philosophie und Religion und verläßt die Ostküste 1963 in Richtung Kalifornien. Zu diesem Zeitpunkt gibt es den Musiker John Fahey schon auf Platte. Im Jahr 1959 läßt er auf Drängen von Freunden einhundert Exemplare einer LP pressen, die im folgenden legendären Status erhält: „BLIND JOE DEATH“. Der Name eines angeblich verschollenen schwarzen Bluesmanns – in Wirklichkeit das erste von vielen Pseudonymen Faheys. Die geradezu grotesken musikanthropologischen Liner Notes des Albums geben einen ersten Vorgeschmack auf viele noch folgende quasi-surrealistische Texte Faheys. „Blind Joe Death“ – der Name taucht in seiner Karriere immer wieder auf und etabliert eine gewissermaßen allegorische Verbindung von Fahey zu den frühen Vertretern des schwarzen Countryblues aus dem tiefen Süden der USA. Der an einer Tankstelle jobbende Fahey gründet mit nur wenigen Dollar sein eigenes Label Takoma. Das Label wird im Laufe weniger Jahre zur wichtigen kreativen Plattform für Akustikgitarren-Künstler wie Robbie Basho und Leo Kottke. In den frühen sechziger Jahren setzt Fahey seine Studien in Berkeley und Los Angeles fort und er tritt in Coffeehouses auf. Er schreibt dazu eine bis heute brilliante wissenschaftliche Arbeit über Countryblues-Gründervater Charlie Patton. Eine ihm angebotene Lehrtätigkeit lehnt er jedoch ab und widmet sich statt dessen Takoma Records, dem ersten Independentlabel, dessen Inhaber gleichzeitig sein wichtigster Künstler ist und das erste Label für instrumentale Gitarrenmusik in den USA überhaupt. Das studentische Publikum hält den Eigenbrötler und Sonderling von der Ostküste zunächst für einen weiteren Folkie und Neo-Countryblueskünstler. Doch die genresprengende Natur des Faheyschen Musik-Kosmos wird immer deutlicher. Allein schon die absurden Titel seiner Kompositionen und Alben („Dances Of Death & Other Plantation Favorites“, „The Revolt Of The Dyke Brigade“, „The Singing Bridge of Memphis, Tenn.“, „The Great San Bernadino Birthday Party“ u.v.m.) verweisen auf die geradezu hemmungslos idiosynkratische Natur seines Konzeptes. John Fahey begibt sich auf die Suche nach den alten Bluesmännern der Vergangenheit und spürt Countryblues-Legenden wie Bukka White und Skip James auf. In seinen frühen Veröffentlichungen auf Takoma benutzt der Gitarrist und Komponist den historischen Country Blues-Kontext allerdings auf sehr freie Art und Weise, um darin etwas Neues zu kreieren – American Primitive Guitar Music. Diese weist eine Vielzahl von Einflüssen auf – von Bartok bis Bluegrass, von religiösen Hymnen bis Blues. Ein neuartiger amerikanischer Gitarrenimpressionismus entsteht, von Fahey mit der einzigen ihm zur Verfügung stehenden Spieltechnik präsentiert und begleitet von Texten und Geschichten, in denen der Künstler die seriösen akademischen Ausführungen der zeitgenössischen Folk-Exegeten ironisiert und veralbert. John Fahey kreiert mit Tönen und Worten eine bizarre Welt aus nicht-existierenden Bluesleuten, Dämonen, Engeln, Eisenbahnen und verflossenen Liebschaften – ein geradezu unentwirrbares persönliches Bezugsgeflecht und ein mythischer amerikanischer Kosmos gleichermaßen. So entsteht eine exzentrische musikalische Welt von mysteriöser Anmutung. Besonders produktiv sind die Jahre von 1968 bis 1974. Doch Fahey gerät auch auf kreative Abwege, scheitert an Experimenten mit Neuer Musik, Dixieland und Geräuschcollagen. Wohlwollend betrachtet ist Fahey seiner Zeit voraus, vielleicht ist er aber auch zunehmend orientierungslos. Persönliche Probleme kommen ins Spiel und unterminieren die Kreativität des auch geschäftlich ungeschickt agierenden Fahey zusehends. Ende der siebziger Jahre verkauft er Takoma Records und gerät in eine persönliche Abwärtsspirale aus Geldproblemen, Alkoholismus, gescheiterten Ehen und Krankheit. Fahey verlässt Kalifornien Richtung Oregon. Dort arbeitet er – mit Unterbrechungen – weiter und nimmt zunehmend obskure Musik auf – aber auch Weihnachtslieder und christliche Hymnen, von denen der amerikanische Musikmarkt sogar etwas Notiz nimmt. Mit seiner Sixties-Vergangenheit versucht Fahey zu brechen. Überliefert ist eine Bemerkung zu einem alten Fan: „Wenn Sie schon unbedingt in der Vergangenheit leben möchten, dann versuchen Sie bitte nicht, uns alle dorthin mitzunehmen.“ John Fahey wird zu einem outcast – einem Ausgegrenzten. Er wohnt in Motels, versetzt Gitarren immer wieder im Pfandleihaus, fängt an zu malen und stöbert zum Lebensunterhalt in Secondhand-Plattenläden nach alten Klassik-LPs, um sie gewinnbringend an Sammler zu verkaufen. Fahey bekommt das Epstein-Barr-Syndrom und verfällt in eine Art chronische Müdigkeit. Dazu kommen Diabetis und fortgesetzter Alkoholismus. Die Sucht überwindet er schließlich und rettet so sein Leben für einige weitere Jahre. Junge Avantgarde-Musiker wie der Chicagoer Produzent Jim O’Rourke oder Sonic Youth aus New York finden Fahey’s Interesse und umgekehrt. Er selbst geht dazu über, experimentelle Tape-Collagen zu erstellen – Welten entfernt von der akustischen Gitarrenmusik seiner Vergangenheit: experimentell und elektrisch, anarchisch und sonderbar, aufgenommen in den chaotischen Lebensumständen seiner Motelzimmer. Anfang der neunziger Jahre stoßen jedoch die alten Aufnahmen John Faheys auf neues Interesse. Eine bescheidene Erbschaft erlaubt ihm die Gründung eines weiteren Labels. Sowohl historische Hillbilly- und Bluesaufnahmen will er auf Revenant Records veröffentlichen, aber auch Avantgarde Jazz und experimentelle Rockmusik. Eine Buchveröffentlichung mit dem bezeichnenden Titel „How Bluegrass Music Destroyed My Life“ versammelt viele der geradezu surrealistischen Texte Faheys – autobiographisch anmutende Vignetten zwischen Realität und Fantasie. Das Leben John Fahey’s endet durch Nierenversagen nach einer mehrfachen Bypass-Operation. Einige wenige Nachrufe würdigen ihn als amerikanischen Gitarren-Pionier. Die geheimnisvolle Faszination, den Humor und intellektuellen Reichtum seines musikalischen Kosmos mit Worten genau zu ergründen fällt bis heute schwer, denn die persönliche und künstlerische Präsenz von John Fahey ist bis heute mysteriös geblieben. Seine Musik ist bis heute Ausdruck einer unerschütterlichen Individualität. Nachfolger wie Michael Hedges, Leo Kottke, Alex De Grassi und William Ackerman und viele mehr haben davon profitiert.